Taxi für das Herz

Ich habe viel zu selten Notarztdienst. Es macht Spaß, ist immer etwas anderes und man lernt nie aus.

Ich werde alarmiert. Herzinfarkt in Dorf X. Wir düsen los. Bei Herzinfarkt ist alles möglich. Von kleinem Muskelkater bis zur Reanimation, zumindest theoretisch.

Bereits die Anfahrt gestaltet sich interessant. Wir holen den Rettungswagen ein und fahren hinter diesem die letzten Nebenstraßen lang. Leider kam niemand auf die Idee, mal die Bäume zu stutzen, der RTW reißt mehrere Zweige herunter. Was machen die Leute hier, wenn es brennt?

Wir werden – im Gegensatz zu sonst – ziemlich ruhig in ein Haus gebeten und stehen erst mal in einem Wohnzimmer. Ich sehe niemanden, der irgendwie hilfsbedürftig aussieht. Ich frage, wer unser Patient sei. Gemütlich kommt mir eine ältere Dame entgegen gelaufen. „Ich bin die Patientin“ meint sie. Auch sie sieht nicht wirklich hilfsbedürftig aus. Ich frage nach den Beschwerden: Keine. Nun muss ich mich schon zur Ruhe zwingen und frage, warum sie dann den Rettungsdienst gerufen haben. Haben sie gar nicht, der Hausarzt war es.

Nun lasse ich mir die ganze Situation ausführlich erklären: Die Patientin war in der vergangenen Woche zur Routineuntersuchung beim Hausarzt. Bei der Blutabnahme seien die Herzwerte erhöht gewesen. Daraufhin habe der Hausarzt die Patientin zur Kontrolle erneut einbestellt. Der Laborwert war wieder erhöht. Nun hat der Hausarzt hieraus einen Hezinfarkt diagnostiziert, die Patientin angerufen und ihr mitgeteilt, sie müsse ins Krankenhaus. Parallel hat er den Rettungsdienst angerufen und ausdrücklich einen Notarzt mitverlangt.

Das klingt eigentlich nicht schlecht, wenn, ja wenn man ignorieren würde, dass das ganze Procedere 5 Tage gedauert hat und die Patientin beschwerdefrei ist.

Sicherlich sollte das Herz näher untersucht werden bei den Werten. Aber es handelt sich um einen Zufallsbefund, welcher sicher erst einmal ambulant kardiologisch abgeklärt werden kann. Wenn es zeitnah keinen Termin gibt, dann kommt auch mal die Klinik in Frage – aber ohne Rettungsdienst und Notarzt!

Wir schimpfen so viel über missbräuchliche Notrufe – aber wie sollen wir es den Patienten verübeln, wenn nicht einmal manche ärztliche Kollegen wissen, wofür der Rettungsdienst da ist?

Es handelt sich übrigens um den gleichen Hausarzt wie beim letzten mysteriösen Herzinfarkt.

Kommentar verfassen