Nachtschichten Teil 1, Freitag Abend

Ich habe gerade bei diesem „tollen“ Wetter drei Nachtschichten hinter mir. Jeweils zwölf Stunden. Diese absolvieren wir zusätzlich zu unserer normalen Arbeitszeit. Das geht nur, wenn es sogenannte Bereitschaftsdienste sind. Das heißt, ich soll in der Klinik schlafen und bei Notfällen bereit sein. Vorgeschrieben und bezahlt werden Nächte mit mind. 50% Schlafzeit pro Nacht – auf dem Papier. In unserem kleinen Krankenhaus übernimmt der Diensthabende alleine die Verantwortung für die gesamte Abteilung: Notaufnahme, Intensivstation, Palliativstation und normale Stationen.

20:00 Uhr: Ich übernehme den Dienst von einer unerfahrenen Kollegin. Wegen eines Notfalls ist auch mein Oberarzt aus seiner Rufbereitschaft da. Es gibt neben dem eigentlichen Notfall noch eine Verlegung zu klären, unser kleines Haus kann halt nicht alles leisten. Die Leitstelle wehrt sich dagegen, einen Notarzt zu stellen. Das kostet unnütz Zeit, letztendlich klappt es.

20:30 Uhr: Übergabe beendet, ich ordne auf der Notaufnahme für die vorhandenen Patienten noch Untersuchungen an. Mehrfach klingelt das Telefon, hier und da sind Kleinigkeiten zu regeln – die mein Spätdienst hätte machen sollen. Typische Anfängerprobleme, das muss sich erst noch einpendeln.

22:00 Uhr: Die Verlegung von der Intensivstation ist erledigt, der andere Notfall versorgt, der übrig gebliebene Rest auch erledigt. Ich gehe in die Notaufnahme zurück. Zum Glück keine neue Patienten, aber ein ambulanter Patient wartet. Der Sohn sei sehr ungeduldig, habe mehrfach gefragt, wie lange es noch dauern würde. Während ich mir das Labor und Röntgenbilder anschaue sowie den Brief fertig schreibe, kommt der Sohn drei Mal in die Notaufnahme rein und drängelt wegen seiner Wartezeiten. Sämtliche Beruhigungsversuche der Pflege scheinen nichts zu bringen. Als ein chirurgischer Patient aufgerufen wird, stellt sich der Sohn quasi in den Weg. Mein Brief ist fertig, ich gehe raus zu den beiden. Ist mein Vater gesund, will der Sohn wissen. Dass die Frage in einer Notaufnahme falsch ist, interessiert ihn nicht. Der Vater ist krank, aber nichts für uns, erkläre ich ihm. Er will wissen, warum er so lange warten muss. Da ich den Patienten noch von seiner Viggo (Venenzugang) befreie, erkläre ich ihm kurz, dass ich zwei Notfälle auf Intensivstation hatte. Sage ihm auch eindrücklich, dass sein häufiges Stören nicht hilfreich sei und an der Tür auch deutlich steht, dass er nur nach Aufforderung rein darf. Er sei nur ein Mal drin gewesen zum Wasser holen, lügt er mich dreist an. Angesichts des neben ihm stehenden öffentlichen Getränkepools merkt er seine Lüge wohl selbst. Ich dränge nun langsam zum gehen. „Ist mein Vater gesund?“ fragt er mich wieder. Langsam zweifle ich an seiner Intelligenz. Erneute Kurzfassung. „Warum musste ich sechs Stunden warten?“ fragt er dann zum dritten Mal. ich antworte nicht noch einmal – zumal die Zeit wie immer nicht stimmt – und verlasse kopfschüttelnd den Raum.

00:00 Uhr: Mittlerweile zwei neue Patienten auf der Notaufnahme. Ich habe beide fertig, beide sind wirklich krank, aber genau dafür bin ich ja da. Der chirurgische Kollege ist schon im Bett, meistens gibt es da weniger zu tun. Ich mache meine Hausrunde, schaue auf allen Stationen vorbei, ob es noch was zu erledigen gibt.

1:00 Uhr: Mein chirurgischer Kollege kommt mir entgegen, nichts mit durchschlafen für ihn. Aber er war immerhin schon mal im Bett. Bei mir kehrt Ruhe ein, ich gehe ins Bett.

03:00 Uhr: Das Telefon reißt mich aus dem Tiefschlaf. Wieder zwei Patienten in der Notaufnahme. Beide klingen nach typischen Nachtpatienten, die also nicht in die Notaufnahme gehören. Typisch auch für die Uhrzeit. Heißen bei uns nämlich DUD. Drei-Uhr-Depp. Aber es lohnt sich, immer genau hinzuschauen, beide sind wirklich krank, keine DUDs. Labor, Ultraschall, Röntgen, das ganze Programm.

05:00 Uhr. Ich liege wieder im Bett. Wirklich schlafen kann ich jedoch nicht mehr. Draußen ist es schon hell.

7:30 Uhr Aufstehen, Katzenwäsche, ab zur Übergabe in die Notaufnahme. Punkt 08:00 Uhr steht der Rettungsdienst in der Tür, bringt eine Patientin. Ich ordne nur erste Untersuchungen an, die Hauptarbeit überlasse ich dem Tagdienst.

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