Nachtschichten Teil 2, Samstag Nacht

Es war wirklich heiß, schlafen zu hause kaum möglich. Nächsten Tag soll es noch heißer werden. Dementsprechend unmotiviert und müde erscheine ich in der Klinik.

20:00 Uhr: Notaufnahme, ich gehe zur Übergabe. Kein Patient da, der Kollege sei auf der Intensivstation. Das ist ein schlechtes Zeichen, meine Motivation wird nicht besser. Und tatsächlich, vier neue Patienten auf der Intensivstation. Immerhin sind drei komplett fertig bearbeitet, nur eine Patientin ist noch nicht vollständig aufgenommen. Raucherin mit Lungenentzündung. Die Blutgase sind so schlecht, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als die Patientin zu intubieren. Ich zücke meinen Anästhesie-Joker und lasse mir von der Kollegin helfen. Zum Glück, denn die Lunge ist so kaputt, dass wir mit der maschinellen Beatmung einige Schwierigkeiten haben. Da sind Anästhesisten einfach deutlich erfahrener als wir.

21:30 Uhr: Wieder in der Notaufnahme, hier ist es noch ruhig. Gegen 22:00 Uhr trudeln zwei Patienten ein. Nach einer ersten Aufnahme, ich warte auf die Laborergebnisse, klingelt mein Telefon. Reanimation auf der Intensivstation. Ich lasse alles stehen und liegen, rufe einer Schwester noch schnell zu „Notfall auf Intensiv“ und spurte los. Da merkt man dann, dass auch ein kleines Krankenhaus ganz schön groß sein kann. Auf Intensivstation läuft alles an, gerade wird das erste mal defibrilliert bei Kammerflimmern. Kammerflimmern ist eine komplette elektrische Störung des Herzens, es findet keine normale Herzaktion mehr statt. Der Stromstoß (Defibrillation) soll das Herz quasi neu starten. Beim ersten Versuch gelingt uns dies. Das Herz schlägt wieder, Puls ist tastbar, die Patientin atmet auch sofort wieder. Noch während wir an ihr arbeiten, wird sie wieder wach. Naturgemäß hat sie starke Schmerzen und versteht die Welt nicht mehr. Leider führt dies bei ihr zu einer kompletten Verwirrung, sie schlägt und tritt nach uns. Wer das nicht erlebt hat, glaubt nicht, wie gelenkig und kräftig eine so betagte Dame mit einem Mal sein kann. Meine Kollegin von der Anästhesie bekommt einen Körpertreffer mit dem Knie ab und mir tritt sie einen Fuß vor die Stirn, bevor wir zu dritt quasi auf ihr liegen. Erst mit einer starken Sedierung bringen wir sie zur Ruhe.

23:00 Uhr: Wieder in der Notaufnahme, das Abendprogramm geht hier weiter, erfreulicherweise relativ mäßig.

01:00 Uhr, Ruhe in der Notaufnahme. Ich schaue wieder auf allen Stationen vorbei. Meine Patientin von vorhin schläft nach leichter Sedierung unruhig. Ihr Herzrhythmus ist total durcheinander. Von extrem langsam bis kurzzeitigem Flimmern. Ich hoffe, sie schafft es.

03:00 Uhr: Ich liege im Bett. Zumindest für zwei Minuten, dann klingelt das Telefon bereits wieder. Ich habe zu wenig geschlafen, ich kann nicht mehr. Ich denke darüber nach, das Telefon aus dem Fenster zu werfen. Das würde aber nichts ändern, also geht es dann doch los. Zwei Patienten warten. Ein Patient mit massivsten Schmerzen bei Gallenkolik ist als erstes dran. Ein zweiter Patient mit Rauchgasinhalation und leichten Verbrennungen bearbeite ich gemeinsam mit dem Chirurgen, der mittlerweile auch wieder auf der Notaufnahme ist.

05:30 Uhr: nach einem weiteren Patienten und einem erneuten Blick auf die Intensivstation liege ich nun endlich im Bett. Es ist hell draußen. Ich schlafe nicht gut.

06:30 Uhr: Das Telefon klingelt. Wie war das mit dem Fenster? Ein Patient mit Kopfschmerzen und keinerlei sonstigen Symptomen wartet in der Notaufnahme. Die Schwester fragt, ob sie ihn parken darf für den hausärztlichen Notdienst, der um 8:00 Uhr anfängt. Die Idee finde ich prima. Ich kann zwar nicht mehr schlafen, aber im Bett ruhen ist besser, als sich um die Zeit mit Banalitäten zu quälen.

08:00 Uhr: Der Patient ist dann gleich als erstes beim hausärztlichen Notdienst dran. Sehr schön. Meine Ablösung ist auch da und wundert sich über meine nächtlichen Patienten.

Gute Nacht.

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